Schulsozialarbeit und Sozialraumorientierung: Eine ganzheitliche Perspektive

Ein Beitrag von Jutta Anton, 1. Vorsitzende der LAG Schulsozialarbeit Nds. e.V.

Schulsozialarbeit spielt eine zentrale Rolle in der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen innerhalb des Bildungssystems. Ein Schlüsselkonzept, das dabei zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Sozialraumorientierung. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung der Sozialraumorientierung als Methode der Sozialen Arbeit, als Qualitätsmerkmal und als Alleinstellungsmerkmal der Schulsozialarbeit.

Das Konzept der Sozialraumorientierung

Sozialraumorientierung zielt darauf ab, Ressourcen und Bedarfe innerhalb eines geografischen oder sozialen Raums zu identifizieren und zu verknüpfen. Gemäß Noack (2022) bedeutet dies, Lebenswelten aktiv mitzugestalten, Netzwerke zu schaffen und die Partizipation der Zielgruppen zu fördern. Dieses Konzept, das seinen Ursprung in der Sozialen Arbeit hat, verbindet die schulische Welt mit den sozialen und kulturellen Gegebenheiten der Umgebung, wodurch eine ganzheitliche Förderung der Schüler*innen möglich wird.

Sozialraumorientierung als Methode der Sozialen Arbeit

Die Sozialraumorientierung versteht sich als praxisorientierte Methode, die auf systemische Analysen und partizipative Ansätze setzt. Ziel ist es, Strukturen und Beziehungen zu stärken, um den Bedarfen der Betroffenen gerecht zu werden. Durch die systematische Einbindung lokaler Akteure wie Vereine, Jugendhilfeträger und Unternehmen erweitert die Sozialraumorientierung die Handlungsspielräume der Schulsozialarbeit erheblich.

Sozialraumorientierung als Qualitätsmerkmal der Schulsozialarbeit

Die Verankerung der Sozialraumorientierung innerhalb der Schulsozialarbeit schafft einen Rahmen, der die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in ihrem sozialen Umfeld berücksichtigt. Dies ist ein entscheidender Vorteil gegenüber anderen pädagogischen Professionen, die oft auf den schulischen Kontext beschränkt sind. Die enge Verbindung zwischen Schule und sozialem Umfeld steigert die Effektivität von Maßnahmen und fördert langfristig die Chancengerechtigkeit.

Sozialraumorientierung als Alleinstellungsmerkmal

Im Vergleich zu anderen pädagogischen Akteur*innen innerhalb der Schule hebt sich die Schulsozialarbeit durch die systematische Nutzung sozialräumlicher Ansätze ab. Während Lehrkräfte primär auf den Unterricht und die Vermittlung von Fachwissen fokussiert sind, nimmt die Schulsozialarbeit eine ganzheitliche Perspektive ein. Durch die Sozialraumorientierung wird eine nachhaltige Verankerung der Schule im Gemeinwesen erreicht.

Sozialraumorientierung im Bundesprogramm „Startchancen“

Das Bundesprogramm „Startchancen“ bietet eine wichtige Gelegenheit, die Sozialraumorientierung als verbindliches Prinzip in der Schulsozialarbeit zu etablieren. Insbesondere in Säule III des Programms, das auf den Ausbau der Schulsozialarbeit abzielt, sollte die Sozialraumorientierung eine zentrale Rolle spielen. Wie das Orientierungspapier des BMBF zeigt, können durch die Einbindung lokaler Ressourcen und Netzwerke sowohl die Bildungschancen als auch die sozio-emotionale Entwicklung der Schüler*innen nachhaltig gefördert werden.

Vorteile der Schulsozialarbeit im Vergleich zu punktuellen Förderprojekten

Schulsozialarbeit bietet eine nachhaltige, individuelle und präventive Herangehensweise, die Bildungsbenachteiligungen an den Wurzeln bekämpft. Im Gegensatz zu punktuellen Förderprojekten arbeitet sie:

  1. Ganzheitlich: Schulsozialarbeiter*innen betrachten Schüler*innen nicht isoliert, sondern in ihrem gesamten Lebenskontext und adressieren soziale, emotionale und familiäre Herausforderungen.
  2. Nachhaltig: Durch die langfristige Integration in den Schulalltag können dauerhafte Beziehungen zu Schüler*innen, Eltern und Lehrkräften aufgebaut werden.
  3. Individuell: Maßnahmen werden spezifisch auf die Bedürfnisse eines Kindes oder Jugendlichen zugeschnitten.
  4. Präventiv: Probleme werden frühzeitig erkannt und angegangen, bevor sie eskalieren.
  5. Multiprofessionell: Schulsozialarbeiter*innen arbeiten eng mit Lehrkräften und anderen Fachkräften zusammen.
  6. Vernetzt: Sie binden Schüler*innen in lokale Netzwerke und außerschulische Angebote ein, um soziale Teilhabe zu fördern.

Fazit

Die Sozialraumorientierung ist ein unverzichtbares Instrument der Schulsozialarbeit, das weit über den schulischen Kontext hinausgeht. Als Methode der Sozialen Arbeit und als integraler Bestandteil des Bundesprogramms „Startchancen“ leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit und sozialen Teilhabechancen. Die nachhaltige Verankerung der Schulsozialarbeit und ihrer sozialräumlichen Ansätze stellt sicher, dass Kinder und Jugendliche umfassend unterstützt werden.

Der Bedarf an einem erweiterten Personalschlüssel

Sozialraumorientierung ist ein zentraler, aber nicht der einzige Bestandteil des breiten Aufgabenspektrums der Schulsozialarbeit. Die Analyse zeigt deutlich, welches Potenzial allein in diesem Aufgabenbereich liegt. Gleichzeitig wird klar, dass ein angemessener Personalschlüssel erforderlich ist, um das volle Angebot der Schulsozialarbeit auszuschöpfen. Mit der aktuellen personellen Ausstattung an niedersächsischen Schulen können nur Teilaspekte der vielfältigen Aufgaben abgedeckt werden. Daher fordern wir nachdrücklich, den Ausbau der Schulsozialarbeit konsequent voranzutreiben und nicht aus finanziellen Engpässen heraus andere Projekte vorzuziehen. Schulsozialarbeit wirkt!

Quellen