In der HAZ vom 31.1. finden sich zwei Artikel zum Thema Ganztagsschule.
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Land drückt bei Ausbau der Ganztagsschulen aufs Tempo
Hannover. Die 1200 Ganztagsschulen in Niedersachsen, die bisher nachmittags nur freiwilligen Unterricht anbieten, bekommen von August an mehr Lehrerstellen zugewiesen.
Das kündigte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) gestern an. In der alten Finanzplanung standen für diese Schulen 37 Millionen Euro bereit, 23 Millionen kommen nun im Landesetat 2014 hinzu. In den kommenden Jahren soll das Lehrerangebot Schritt für Schritt ausgeweitet werden. „Wir geben diesen Schulen mehr Unterstützung und Gestaltungsspielräume“, sagte Heiligenstadt.
Rund 1600 Ganztagsschulen gibt es landesweit, 400 von ihnen haben eine komplette Personalausstattung. Das heißt, für den gesamten Unterricht stehen ausreichend Lehr- und Betreuungskräfte zur Verfügung.
Die 1200 Schulen, die bisher als „Ganztag light“ bezeichnet werden, haben im Schnitt nur ein Viertel der zusätzlichen Lehrerstellen, die für einen optimalen Unterricht nötig wären. Hier hatte es bisher Ärger wegen der Beschäftigung von Honorarkräften gegeben. Heiligenstadt stellt die Förderung nun um: Nicht mehr mit Bezug auf die Anzahl der Klassen werden neue Lehrer zugewiesen, sondern mit Bezug auf die Zahl der Kinder, die auch nachmittags unterrichtet werden.
Das Land will zunächst 60 Prozent des optimalen Budgets für Lehrer und Betreuung bereitstellen. „Wir wollen diesen Wert bis 2017 auf bis zu 75 Prozent steigern“, sagt die Ministerin. Gleichzeitig gibt es ein „Verschlechterungsverbot“: Schulen, denen nach dem neuen Berechnungsmodus weniger Lehrer zustehen als nach dem alten, sollen ihre alten Ansprüche behalten. Heiligenstadt will in den kommenden Wochen ermitteln, wie viele Schüler in den 1200 Schulen am Ganztagsunterricht teilnehmen wollen. Schulen könnten auch vom freiwilligen auf den verpflichtenden Nachmittagsunterricht umsatteln – mit der Folge, dass sie dann mehr Lehrer bekommen könnten.
Heiligenstadt rechnet aber nicht damit, dass dies zum neuen Schuljahr im August geschieht: „Es müsste dazu das pädagogische Konzept geändert werden, außerdem müssen die Eltern zustimmen.“ Rot-Grün sieht in der bisherigen Finanzplanung vor, bis 2017 260 Millionen Euro zusätzlich in den Ganztagsunterricht zu investieren: 62 Millionen im nächsten Jahr, 78 Millionen 2016 und 96,2 Millionen Euro 2017. Damit soll es möglich werden, die Lehrerversorgung in den 1200 Ganztagsschulen zu verdreifachen. Zudem sollen 300 weitere Schulen zu Ganztagsschulen werden können.
CDU und FDP bezweifeln dies: Wenn überraschend viele Schüler die Angebote nutzten, reiche das Geld am Ende nicht aus. Auch die Gewerkschaft GEW meint, die Finanzierung sei unzureichend
Wie läuft?s mit den Ganztagsschulen?
Hannover. Nach einem neuen System werden künftig die Zuschüsse des Landes für Ganztagsschulen verteilt: Nicht mehr je Klasse werden Lehrerstunden zugewiesen – sondern für jeden Schüler, der am Ganztagsprogramm teilnimmt. Dabei spielt auch die Organisationsform der Schulen keine Rolle mehr.
Bekommen alle Schulen künftig mehr Lehrer für den Unterricht?
Nein. Bisher spielte eine Rolle, wie viele Klassen betroffen waren. Künftig geht es um die Anzahl der Schüler, die nachmittags unterrichtet werden. Die Schule A mit drei parallelen Klassen, in der 50 Kinder ganztags betreut werden, hatte bisher Anspruch auf 15 Lehrerstunden. Die Nachbarschule B mit zwei parallelen Klassen, in der 100 Schüler betroffen waren, hatte nur Anspruch auf zehn Stunden. B bekommt künftig 24 Stunden zugewiesen, A hat nach der neuen Berechnung nur Anspruch auf neun. Da aber Bestandsschutz gilt, bleiben die 15 Stunden für A erhalten. Im ersten Schuljahr sollen sich die Schulen zudem neu orientieren.
Reicht das Geld für weitere Ganztagsschulen?
Das kommt darauf an. Die Prognosen des Kultusministeriums bauen auf Erfahrungswerten auf: 70 Prozent der Eltern wollen Ganztagsschulen, aber nur 30 Prozent wollen einen verpflichtenden Unterricht am Nachmittag. Wenn jetzt aber entgegen dieser Annahme viel mehr Kinder als bisher für den Nachmittagsunterricht angemeldet werden, müsste das Land mehr Lehrer als bisher geplant einstellen. Fraglich wäre dann, ob die versprochenen 260 Millionen Euro bis zum Jahr 2017 reichen, um auch – wie geplant – weitere 300 Schulen in Ganztagsschulen umzuwandeln. Etwa 100 Anträge liegen im Ministerium bereits vor. Heiligenstadt hat das Ziel, bis zum Ende der Wahlperiode 2017 mehr als zwei Drittel der 2800 niedersächsischen Schulen zu Ganztagsschulen auszubauen. Erreichbar ist das aber wohl nur, wenn erstens das versprochene Geld jedes Jahr im Haushaltsplan bereitgestellt wird und zweitens der Umfang des Nachmittagsunterrichts nicht wesentlich gegenüber dem derzeitigen Stand ausgeweitet wird. Dieser zweite Punkt hängt vom Verhalten der Eltern ab.
Ist die Schule frei, weiterhin Honorarkräfte zu beschäftigen?
Bedingt. Schulen sollen weiterhin den Ganztagsbetrieb auch mit „Kooperationspartnern“ organisieren können. Aber der neue Erlass gibt ein Ziel vor: Jährlich zum 1. Januar sollen die Schulen erklären, in welchem Umfang sie Geld für Honorarkräfte oder Lehrerstunden bekommen möchten. Das Land will, dass wenigstens 60 Prozent der Zuweisungen an jede Schule aus Lehrerstunden bestehen. Damit soll die pädagogische Qualität gesichert werden.
Verändern sich die Abläufe in den Schulen?
Heiligenstadt hat die Schulen ausdrücklich ermutigt, „den pädagogischen Gestaltungsspielraum zu erweitern“. Bisher findet in Ganztagsschulen zumeist zwischen 8 und 13 Uhr der Unterricht statt, danach schließen sich Mittagspause und Übungszeit an, am Nachmittag sind dann die Ganztagsangebote. Vorstellbar ist laut Ministerin künftig auch ein anderer Weg: Die Schule könnte mit der Übungszeit beginnen, Ganztagsangebote könnten am späten Vormittag und am späten Nachmittag eingebaut werden – also zwischen den Unterrichtsblöcken.
Wie bewerten Opposition und Verbände den Erlass?
CDU und FDP reiben sich vor allem an einem „X-Faktor“ in Heiligenstadts Konzept. Es geht um die Frage, wie stark je Ganztagsschüler die Lehrerstunden erhöht werden. Heiligenstadt hat für den Anfang mindestens 60?Prozent versprochen und will diesen Wert steigern. Das kann aber nur gelingen, wenn es an den Schulen keinen Ansturm auf den Nachmittagsunterricht gibt. Gerügt wird auch, dass die Investitionen in die Ganztagsschulen mit Einschnitten bei Gymnasiallehrern und älteren Lehrern erkauft worden seien. Sie müssten Mehrarbeit leisten, damit die Rechnung der Ministerin aufgehen kann. Die GEW begrüßt die Pläne. 260 Millionen Euro in vier Jahren reichten aber nicht. „Der drei- bis vierfache Betrag ist auf die Dauer erforderlich“, sagte Landesvorsitzender Eberhard Brandt.
Ab wann gilt der neue Erlass?
Der Erlassentwurf wird jetzt den Verbänden vorgelegt, die Änderungswünsche mitteilen können. Am 1. August, kurz vor Beginn des neuen Schuljahres, soll die Regel in Kraft treten. In den nächsten zwei Wochen will das Ministerium schon von den Schulen wissen, welchen Bedarf sie haben. Heiligenstadt rechnet nur mit „vereinzelten“ Anträgen von Schulen, den Nachmittagsunterricht (der in vielen Schulen auf drei Tage und freiwillige Teilnahme beschränkt ist) schon kurzfristig auszuweiten. Grundsätzlich habe aber jede Schule die Chance, ihr pädagogisches Konzept zu ändern oder zu erweitern. Nur dürfe das nicht übers Knie gebrochen werden, heißt es.
„Wir statten die Schulen deutlich besser aus und geben ihnen mehr Gestaltungsspielräume. Auch neue Ganztagsschulen werden möglich.“
Frauke Heiligenstadt, Kultusministerin